Kinder-Held, 2007

Kinder-Held, 2007

Tuschpinsel, Gouache

104 x 78 cm. Privatbesitz

Die Hauptfigur des Romans „1984“ Winston Smith muss staatliche Dauerbeschallung über sich ergehen lassen… und selbst im „Ministry of Truth“ (Minitrue) Propaganda und Geschichtsfälschung für die herrschende Partei erstellen. Irgendwann erfindet er für einen Artikel in der ozeanischen Times den „Kameraden Ogilvy“. 

Jener Vorzeigekamerad war, so Winston, zeitlebens ein Bild selbstlosen Patriotismus, ein musterhafter Untertan erster Güte, der bereits als Kind eisernen Willens war und jegliches Spielzeug mit Ausnahme einer Trommel, einer Maschinenpistole und eines Miniaturhubschraubers abgelehnt hatte. Er denunzierte pflichtgetreu seine Eltern, rührte weder Zigaretten noch Alkohol an und lebte durchweg spartanisch und enthaltsam. Gesprächsthemen außer den Prinzipien des Engsoz (English Socialism) waren ihm fremd. Kamerad Ogilvy konnte gerade noch eine neue, mörderisch effiziente Handgranate erfinden, da starb er schon bedauerlicherweise im Alter von 23 Jahren im filmreifen Luftkampf den Heldentod. Dieses Ende ohne Neidgefühle zu betrachten sei kaum möglich, lässt sich, Winston zufolge, der „Große Bruder“ höchstselbst vernehmen. 

Solcherlei freie, „luftige“ Erfindungen diktiert Winston einem Gerät, woraufhin sie automatisch verschriftlicht werden. Dann werden sie verbucht, gedruckt und die Erfindung schließlich im kollektiven Gedächtnis zu einem Faktum. Der Kamerad Ogilvy ist nun fester Teil der Geschichtsschreibung Ozeaniens und Bestandteil dessen, ganz wie Karl der Große oder Julius Cäsar. 

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